„Du musst die Wurst nach dem Schinken werfen!“
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Schmidt Theater // Oliver Fantitsch
Der kleine Stoertebeker
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Schmidt Theater
Benjamin Zobrys
Benjamin Zobrys
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Schmidt Theater // Markus Richter
Carolin Spieß
Carolin Spieß
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Schmidt Theater // Markus Richter
Carolin Spieß
Carolin Spieß
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Schmidt Theater // Oliver Fantitsch
Der kleine Stoertebeker
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Schmidt Theater // Oliver Fantitsch
Der kleine Stoertebeker
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Schmidt Theater // Oliver Fantitsch
Der kleine Stoertebeker
Spannend. Rasant. Komisch. Fantasievoll. Rührend. All diese Adjektive fallen, wenn Kinder und Erwachsene die Kaperfahrt des kleinen Störtebeker im Schmidt Theater verzückt miterleben. Wenn sie zwei Stunden mitgefiebert, mitgesungen und mitgelacht haben. Wenn sie fasziniert zugesehen haben, wie die sieben Darsteller in Windeseile ihre Rollen wechseln und die Bühne in ein Gauklerzelt, Piratenschiff oder den Hamburger Fischmarkt verwandeln. Wenn auch das Publikum sein Bestes geben muss, beim La-Ola-Wellen produzieren, beim Schiff tragen oder beim Platt üben: Nur zurücklehnen gibt’s nicht. Nachdem der Vorhang gefallen und der Applaus für Klaus abgeebbt ist, sind glücklich strahlende Kindergesichter im Foyer des Schmidt Theater zu sehen: Alle drängeln sich um Benjamin Zobrys, den Hauptdarsteller und seine Mitstreiter, um ein Autogramm zu bekommen oder sich eine CD mit den mitreißenden Songs aus dem Musical signieren zu lassen. Es ist rappelvoll - keine Frage, dieses Familien-Musical begeistert auch in der zweiten Spielzeit.
Im Gespräch mit Regisseurin Carolin Spieß und Hauptdarsteller Benjamin Zobrys versucht BANGERANG beim Tee im Foyer, dem Geheimnis des Erfolgs auf die Spur zu kommen …
Es war ein Geniestreich des Autors Heiko Wohlgemuth, sich dieser großen Legende, diesem
Stück Hamburger Kultur, diesem deutschen „Robin Hood“, der die Reichen bestahl, um den Armen zu geben, so anzunähern: Sich auszumalen, wie die Kindheit des kleinen Klaus‘ im Mittelalter wohl verlaufen wäre: Als Waisenkind ohne Liebe in einer Gauklertruppe aufzuwachsen, ständig hungrig, zur Arbeit gezwungen. Ein geprügelter kleiner Junge, der schließlich in seiner Not ausbüxt, ganz allein, nur begleitet von einer kleinen Ratte, die ihm Mut zuspricht: „Wer immer tut, was er schon kann, bleibt immer der, der er schon ist!“ Und der dann gerettet wird - von Piraten, keinen harten, sondern eher zarten, die dem kleinen Klaus mit Liebe und Zuneigung begegnen. Woraufhin er wiederum Mut fasst - mit Hilfe eines klugen Mädchens - sich dem reichen Heinrich Pfeffersacks, dem alten Geizkragen, der die Armen betrügt und bestiehlt, zu widersetzen. Ein smartes Seeräuberstück - gewürzt mit einer Prise Gesellschaftskritik, kindgerecht transportiert, aber auch für Erwachsene vielschichtig genug. Der spannende Stoff ist ein Erfolgsfaktor - die mitreißende Inszenierung und das leidenschaftliche Spiel sind andere. Nun kommen Regie und Schauspiel ins Spiel:
Wie kam es überhaupt dazu, dass Hauptdarsteller Zobrys auch die Choreographie übernommen hat und Carolin Spieß zu ihren vielen Rollen beim Schmidt Theater nun auch noch die Regie?
Bei beiden fällt sofort das Stichwort Zusammen-Arbeit: Auf Nachfrage erklären sie einhellig und überzeugend: Im Schmidt Theater werde Zusammen-Arbeit ganz groß geschrieben und nicht einfach nur so dahingesagt, sondern gelebt. „Wir dürfen hier sehr viel einbringen an Ideen“, kommentiert Carolin Spieß. Und Benjamin Zobrys meint: „Es gibt in ganz Deutschland kein solches Theater wie das Schmidt Theater. Ich als gebürtiger Berliner bin jedenfalls wahnsinnig froh, hier in Hamburg zu spielen.“ Corny Littmann, der Leiter und Begründer des Schmidt Theater, habe ein Gespür für seine Mit-Arbeiter. Er rege sie an und fordere sie auf, mehr auszuprobieren. Heiko Wohlgemuth, mittlerweile Stamm-Autor beim Theater, brachte er zum Schreiben. Carolin Spieß, die sowohl im Theater als auch in TV-Filmen spielt, motivierte er, die Regie zu übernehmen: Mit großem Erfolg: Nominiert wurde „Der kleine Störtebeker“ in vier Kategorien für den Deutschen Musical Theater Preis 2015: Beste Regie / Bestes Buch / Beste Liedtexte und Bestes Bühnenbild. Welch Auszeichnung. Und bester Beleg für Littmanns Gespür für Menschen. Auch Benjamin Zobrys traute er nicht nur die Hauptrolle des „Störtebeker“, sondern auch die Choreographie zu.
BANGERANG: Was gefällt Ihnen, Frau Spieß, besonders an der Regie-Arbeit für Kinder? Sie haben ja mit „Cinderella“ angefangen, dann kam „Räuber Hotzenplotz“ , „Es war einmal …“ und nun der „Störtebeker“.
Carolin Spieß (CS): Kinder sind so eins zu eins: Wenn ihnen die Geschichte gefällt und sie in
den Bann gezogen sind, dann sind sie wirklich fasziniert und überlegen nicht, was hat die Karte gekostet oder ich brauche jetzt drei Gags pro Minute, sondern man kann einfach eine gute Geschichte erzählen. Darauf liegt der Fokus und auf sonst gar nichts.
Benjamin Zobrys (BZ) ergänzt: Ich finde es faszinierend zu wissen, wie prägend solche Erlebnisse für Kinder sind. Ich war als Kind im Theater bei „Peter Pan“ und wollte dann auch unbedingt wie eines der Kinder fliegen und auf die Bühne. Ich freue mich schon, wenn in 20 Jahren vielleicht irgendein Erwachsener zu mir kommt und meint: „Ich habe dich als „Störtebeker“ gesehen und das fand ich so beindruckend - deswegen bin ich Schauspieler geworden.“ Ich finde es auch immer wieder toll, von den Eltern zu hören, wie in den Kinderzimmern Piratenschiffe gebaut und Kostüme gebastelt werden und die CD mit den „Störtebeker“-Songs in Dauerschleife läuft.
BANGERANG: Die Geschichte von „Störtebeker“ ist ja durchaus vielschichtig - wie schaffen Sie es, Frau Spieß, Kinder da so gut mitzunehmen?
CS: Wir haben schon nach der ersten Workshop-Woche Kinder eingeladen, um zu testen, wie das Stück ankommt oder auch, um herauszufinden, was sie irritiert. Ich nehme immer sehr wichtig, was Kinder zu unserem Stück sagen: Wir befragen Kinder direkt nach den ersten Vorführungen, um zu hören, was ihnen gefallen hat oder nicht oder an welchen Stellen sie Angst hatten. Deswegen haben wir uns ja auch entschieden, die Altersempfehlung ab 6 Jahren anzugeben, nachdem einige Vierjährige anfänglich große Angst hatten.
BANGERANG: Auffallend fand ich, mit wie wenig Requisiten Sie inszenieren, mit reduziertem Bühnenbild, das umso mehr Raum für Fantasie lässt: Aus welchem Material sind eigentlich die „Bilderrahmen“, die den Einbruch in Pfeffersacks Haus so eindrucksvoll in Szene setzen?
CS: Das ist in Wirklichkeit nur ein dickes Gummiband. Diese Szene ist aber mit hohem Aufwand geleuchtet und wirkt tatsächlich magisch. Kinder kann man mit ganz einfachen Mitteln begeistern, aber dafür haben wir sehr viel und sehr lange geprobt, bis alles bis ins kleinste Detail passte: die Choreographie, das Timing, das Licht.
BZ weiter: Oh ja. Wir haben sehr lange überlegt, wie man eine Treppe oder einen Fluss darstellen kann.
CS: Stimmt: Gerade diese Fluss- und Meeres-Szene hat uns am meisten Zeit gekostet. Das Material dafür war nicht teuer, aber bis es nicht mehr so aussah wie im Schultheater, haben wir lange gebraucht.
BANGERANG: Wie lange haben Sie denn an dem Stück gearbeitet? Heiko Wohlgemuth hat
es ein Jahr zuvor geschrieben, Martin Lingnau hat die Songs komponiert - wie ging es dann weiter?
CS: Der Autor hat bereits schon viele Regie-Ideen eingebaut, dann haben wir eine Woche Workshop gemacht und danach probten wir so zwei bis drei Monate. Mittlerweile ist der ‚Störtebeker‘ wohl so um die 80mal aufgeführt worden - wir freuen uns sehr darüber, dass das Stück so toll angenommen wird, viele Schulklassen haben auch schon Vorstellungen gebucht.
BANGERANG: Welches sind Ihre Lieblingsszenen?
CS: Ich mag zum Beispiel total gerne, wenn die Ratte zu Störtebeker spricht: „Du bist verliebt!“
BZ: Ich kann das gar nicht sagen, weil ich ja in jeder Szene dabei bin. Für mich läuft das Stück so durch und ist gar nicht so in Szenen aufgeteilt: Mich faszinieren die Szenen mit der Ratte, das hat so was von Disney, ich vergesse manchmal sogar den Darsteller dahinter und rede wirklich mit dieser Ratte. Da geht ein Kindheitstraum in Erfüllung.
CS: Die meisten Zuschauer schwärmen von der Szene im Haus von Pfeffersack, die ist ja auch toll. Aber wir haben sie so lange erarbeitet, die ist fast wie Sudoku gewesen.
BZ: Bei dieser Szene ist man so darauf konzentriert, im richtigen Licht zu stehen und zu gehen und das Richtige zu sagen, damit der Effekt gut rüberkommt.
CS: Ich liebe auch den Übergang vom Fluss zum Meer, wenn die Piraten kommen. Oder dieser Moment, wenn Klaus von Bord soll und die Piraten ihm alle etwas mitgeben - und wenn es nur eine Umarmung ist. Diese Piraten teilen alles, was sie haben.
BZ: Ein Herz-Moment für mich ist auch mein Lied vor dem Pausenfinale. Und die Schluss-Szene.
BANGERANG: Welcher Beruf hätte Sie noch gereizt?
CS: Ärztin: Ich habe tatsächlich zwei Anläufe unternommen, um diesen Medizinertest zu bestehen. Sollte wohl doch nicht sein … Und dann wollte ich eine Zeit lang auch Pastorin werden, in der Pubertät, ich wollte für den Weltfrieden predigen und habe geglaubt, ich könne von der Kanzel aus die Welt verbessern.
BZ: Ich wollte schon immer Schauspieler werden. Schon im Kindergarten - das hat sich auch nicht geändert. ich habe immer schon geschauspielert, z.B. beim Kasperletheater, ohne dass ich das wusste. Und hatte da auch immer familiäre Unterstützung, obwohl ich keine Ballett-Mutti hatte. Ich bin, wenn man so will, ein klassischer Hofnarr, die Leute kommen und zahlen Geld, mich spielen zu sehen.
CS: Die Schauspielerei hat mich auch schon früh gereizt, es hat aber gedauert, bis ich mich traute. Erst als einer zu mir sagte: „Nun mach doch endlich, was du am liebsten magst!“, habe ich es versucht.
BANGERANG: Frau Spieß, Sie sind dem Norden bis auf ein kurzes Intermezzo in Nürnberg
und Trier oder für Dreharbeiten immer verbunden geblieben …?
CZ: Ja, ich bin sehr klebrig, ich liebe Hamburg, das ist meine Heimat. Wir arbeiten hier sehr eng zusammen, abteilungsübergreifend. Es gibt viel Austausch, ich frage auch immer die anderen, wie findest du dies oder jenes?
BANGERANG: Wie entspannen Sie sich am liebsten?
CS: Ich kann nicht so gut entspannen, aber durch meinen Sohn komme ich schnell wieder in eine andere Welt. Ich habe ein kleines Ferienhäuschen an der Ostsee, wenn man da mit der Fähre übersetzt, ist man gleich in einer anderen Welt, da habe ich Weite und frische Luft. Außerdem lese ich sehr gerne.
BZ: Ich wellnesse gerne, mir fällt es eher schwer, abzuschalten, da ich sehr gerne arbeite und mich im Anschluss dazu gerne noch austausche, doch sobald ich in einer Badewanne bin oder in der Sauna oder auf einer Wiese, kann ich gut abschalten. Außerdem habe ich zwei Patenkinder, mit denen ich viel unternehme. Ich mache viel Sport, bin gern in der Natur, koche, kümmere mich um meinen Balkon.
CS: Entspannen kann ich mich auch, wenn Benny und ich in der Probenzeit ganz häufig in der Woche abends telefonieren und nochmals alles besprechen. Wenn man das Gefühl hat, dass etwas gut wird, dann entspanne ich mich auch bei der Arbeit. Ich schätze es sehr, Benny zu fragen, wie er etwas findet, auch bei meiner Arbeit als Schauspielerin, er gibt mir ehrlich Feedback.
BZ: Das gehört auch zu unserem Job dazu, dass man ehrlich sagt, was man denkt und dass man sich auch eine andere Meinung anhören kann.
BANGERANG: Welches Buch liegt auf Ihrem Nachttisch?
CS: Ich habe den SPIEGEL abonniert, den ich sehr gerne lese und bin damit schon relativ beschäftigt. Kürzlich habe ich ein Buch über Familie gelesen und den Roman von Doris Dörrie: „Was machen wir jetzt?“. Ansonsten will ich noch die neuen Biographien über Astrid Lindgren lesen, weil sie so eine großartige Frau war. Ich habe aber auch vier Bücher wieder weggelegt, ich bin da jetzt auch manchmal empfindlich, die Kurzgeschichten von Alice Munro waren mir eher zu düster. Als kleines Kind las ich am liebsten Astrid Lindgren, mein Sohn übrigens auch. Später habe ich dann unheimlich gerne ernste Kinderromane über die Kriegszeit gelesen, z.B. „Als Hitler das rosa Kaninchen stahl“. Manches war vielleicht auch zu früh. Fantasy habe ich wenig gelesen - lustigerweise.
BZ: Ich lese gerade den Biographie-Roman meiner Schauspiel-Lehrerin Adriana Altara: „Titos Brille“, das Buch ist ja so fantastisch, beim Lesen habe ich schon geweint und auch herzhaft gelacht, ich versinke da total. Teilweise lese ich aber sehr langsam, weil ich nicht möchte, dass das Buch aufhört, weil ich es so schön finde.
BANGERANG: Sehen Sie sich selbst auch gerne Familienstücke an?
BZ: Ich finde, Kindertheater ist selten wirklich gut gemacht. Das klingt jetzt vielleicht arrogant, aber ich habe schon viel Schlimmes gesehen, z.B. Tournee-Produktionen, und deswegen gehe ich meist nur noch auf Empfehlung rein. Schön finde ich z.B. das Theater für Kinder, die Opern kindgerecht zeigen. Zur Einstimmung auf „Störtebeker“ haben wir uns als Ensemble im Thalia Theater den „Moby Dick“ angeschaut, weil da auch das Meer eine große Rolle spielt.
CS: Mein kleiner Sohn ist noch etwas empfindlich und verträgt noch nicht so viele Leute, deswegen schauen wir uns momentan nicht so viel an - aber das Schauspielhaus finde ich schon sehr schön.
BANGERANG: Haben Sie Vorbilder, die Sie inspirieren?
CS: Meryl Streep. Ihre Mimik und Gestik finde ich unheimlich faszinierend, ihre Mehrschichtigkeit. Sie kann man unheimlich gut studieren und etwas daraus lernen, ohne dass man versucht, sie zu kopieren.
BZ: Ich kann das schlecht an einer Person festmachen, ich mag aber unheimlich gerne Robert de Niro oder Leonardo DiCaprio zum Beispiel.
BANGERANG: Herr Zobrys, Sie als Berliner - was gefällt Ihnen besonders an der Stadt?
BZ: Ich mag den Kiez gerne und natürlich das Schmidt Theater. Aber Berlin vermisse ich schon sehr, weil dort meine Familie und Freunde sind. Zum Glück sind die beiden Städte nicht so weit auseinander, ich pendle oft. Ideal wäre für mich, wenn es in Berlin ein zweites Schmidt Theater gäbe.
BANGERANG: Und wie sehen Ihre Pläne für die Zukunft aus? Wollen Sie auch mal in Richtung Film gehen?
Das Schmidt Theater hat genau die richtige Größe für mich, nicht zu klein, aber auch nicht zu groß, so dass es noch familiär ist und nicht wie eine große Firma. Beim Theaterspielen finde ich das Live-Erlebnis sehr schön und den Kontakt zum Publikum. Beim Film wiederum ist das Spannende, dass man noch mehr an der Perfektion arbeiten kann. Leider nehmen in Deutschland viele Regisseure merkwürdigerweise nicht so gerne Theater-Schauspieler - und Musical-Darsteller haben es nochmals schwerer. Ich habe schon erlebt, dass deswegen manchmal Schauspieler ihren Lebenslauf abgeändert und nicht angegeben haben, dass sie am Theater gespielt haben.
BANGERANG: Gibt es eine Rolle, die Sie reizen würde?
BZ: Ich habe gerade Benedict Cumberbatch in der Rolle als „Hamlet“ gesehen, da habe ich jetzt etwas Blut geleckt, diese Rolle könnte ich mir vorstellen, vielleicht aber in einer anderen Version, vielleicht etwas „schmidtiger“, so dass sie zum Schmidt Theater passt.
BANGERANG: Wenn Ihnen eine Fee drei Wünsche erfüllen würde, was würden Sie sich wünschen?
BZ: Ich möchte gern weiterhin glücklich in meinem Beruf arbeiten können. Ich möchte gerne meinen Segelschein machen und ja - ALS SKIPPER AUF EINEM SCHIFF ZU SEIN, wäre schön.
BANGERANG: Vielen Dank für das Gespräch!
Gaby Friebel