Der achtjährige Sammy hängt sehr an seinem Hamster Raffi, den er von seinem Papa vor der Trennung bekommen hat. Schrecklich, als sich herausstellt, dass der kleine Hamster herzkrank ist und operiert werden muss. Und noch schrecklicher, als Raffi kurz danach entführt wird. Aber Sammy lässt seinen kleinen Freund nicht im Stich und macht sich auf die abenteuerliche Suche, die ihn quer durch Hamburg führt …
„Rettet Raffi!“ - mit dem Prädikat „Besonders wertvoll“ ausgezeichnet - ist ein wunderbarer Familienfilm mit besonderem Hamburg-Flair, der zeigt, dass es sich lohnt, um etwas zu kämpfen, was einem wichtig ist - auch wenn es noch so klein ist. Ein Film, der darstellt, dass Familie nicht einfach ist - aber dass sie auch im Streit wieder zusammenfinden kann.
Kino-Start: 22.10. / Premiere am 4.10. beim Filmfest Hamburg
Interview
BANGERANG traf sich zum Gespräch mit dem bekannten Kinderfilme-Macher Arend Agthe („Flussfahrt mit Huhn“) und seiner Frau, der Schauspielerin Bettina Kupfer, die zusammen nicht nur das Drehbuch und Buch schrieben, sondern auch als Regie- und Produktions-Team „Rettet Raffi!“ gemeinsam realisiert haben:
Bangerang: Wie sind Sie auf die Idee gekommen, einen Hamster zum Mittelpunkt Ihres Films zu machen?
Bettina Kupfer (BK): Uns war es wichtig, das Einfühlungsvermögen in ein Tier darzustellen - vor allem in ein so kleines Tier. Tiere sind für Kinder wichtige Freunde, denen man in der Not viele wichtige Dinge anvertrauen kann. Es bedeutet Verantwortung, einen Freund zu haben - auch wenn er noch so klein ist.
Arend Agthe (AA): Wir wollten hier die Kinder-Perspektive darstellen, ein Kind denkt nicht darüber nach, dass der Hamster nur 3,50 Euro gekostet hat. Ein Erwachsener würde sich hundertmal überlegen, ob er 1.000 Euro für den Tierarzt ausgibt, vor allem weil Hamster keine besonders hohe Lebenserwartung haben.
BK: Außerdem wollten wir zeigen, dass auch ein ganz kleines Tier eine große Bedeutung haben kann und wir wollten ein eigenwilliges Tier - Hamster sind eigentlich keine Tiere für Kinder. Das sieht man auch im Film: Sammy muss sich eher an Raffi anpassen.
Bangerang: Raffi hatte im Film 14 Doubles und im Vorfeld musste die Tiertrainerin Carola Conrad mit den kleinen Nagern wohl sehr lange üben. Wie aufwändig waren die Vorarbeiten?
AA: Ja, die Vorarbeiten waren wirklich beträchtlich, Carola brauchte einen Vorlauf von einem halben Jahr, um die Hamster zu erforschen und um sie erst mal handzahm zu machen. Sie musste herausfinden, welcher von den 15 überhaupt bereit ist, zu schwimmen. Dann musste sie einen Hamster daran gewöhnen, in eine Konservendose zu gehen, indem sie ihn immer darin fütterte. Ganz schnell haben wir gemerkt, dass wir die Hamster-Szenen nicht in kleinen Portionen am Tag drehen konnten, es wäre viel zu aufwändig gewesen mit einem 36-köpfigen Team zu warten, bis der Hamster irgendwann die Spüle hochklettert. So haben wir die Szenen mit den Hamstern mit einem kleinen Team ganz zum Schluss im Studio gedreht.
BK ergänzt: Die Tierchen sind auch wirklich sehr sensibel, schon ein kleines Geräusch machte sie ganz scheu.
AA: Und dann hatten wir ja nicht nur Tiere im Film, sondern auch Kinder! Diese dürfen nur fünf Stunden am Tag am Set sein und davon nur drei Stunden vor der Kamera.
Bangerang: Was war eigentlich herausfordernder, die Arbeit mit Tieren oder die mit Kindern?
BK: Mit den Kindern war es toll - die Darsteller von Sammy und Molly standen übrigens zum ersten Mal vor der Kamera. Ich hatte lange im Vorfeld mit ihnen bereits das ganze Buch durchgeprobt. Das war natürlich viel Arbeit. Die Kinder kannten dann das ganze Buch auswendig und lernten sich als Geschwister kennen. Sensibel war natürlich die Szene, als Molly Jochen küssen sollte. Insgesamt kann man aber sagen, dass die Arbeit mit den Hamstern anspruchsvoller war, einem Kind kann ich schließlich sagen, mach das so. Dagegen macht der Hamster wirklich was er will, er ist von seinen Instinkten geleitet. Es gab zum Beispiel überhaupt nur zwei Hamster, die gern ins Wasser gingen.
AA: Die eigentlichen Wasserszenen waren sehr kurz: Das Brettchen, das auf der Elbe schwimmt und im Film zu sehen ist, da saß der Hamster nie drauf. Wir haben den Hamster später aufs Brett kopiert und getrackt, das heißt, immer wenn sich das Brett bewegte, wurde der Hamster mitbewegt. Um auf die Nachtaktivität der Tierchen Rücksicht zu nehmen, wurden die Hamsterszenen im Studio gedreht, in einem kleinen Bottich mit 32° Celsius temperiertem Wasser - ihrer Lieblingstemperatur, das hatte die Tiertrainerin herausgefunden. Und wir färbten später das Wasser als graubraunes Elbwasser ein.
BK: Nachdem der NDR in einer DAS-Reportage über die Dreharbeiten berichtet hatte, bekamen wir mit militanten Tierschützern Probleme. Sie schlossen aus einer Szene, wo die Hamster für die Szene in der TV-Show in einem großen Holzkasten mit Einzelzellen untergebracht waren, dass die Tiere nicht artgerecht gehalten werden. Dabei war dieser Holzkasten nur ein extra angefertigtes Requisit nur für diese Szene. Hamster sind ja Einzelgänger und vertragen keine Haltung zusammen mit anderen. Carola hatte sogar extra ein Wohnmobil mit Regalen, in dem jeder Hamster in seinem Einzelkäfig sicher untergebracht war und transportiert werden konnte. Sie lebte mit den 15 Tieren, jedes in seinem Käfig, in ihrer Wohnung und brachte dann jeweils immer den Hamster, der gefragt war, ins Studio für die Aufnahmen. Ein junges Mädchen hatte über die Plattform change.org eine Petition gegen die Tiertrainerin ins Leben gerufen, ohne uns vorher um eine Stellungnahme zu bitten, so dass wir gezwungen waren, uns erst einmal einen Anwalt zu nehmen, um alles klarzustellen, auch warum ein Hamster im Film schwimmt. Das hat uns drei Monate in Atem gehalten und da wurde uns bewusst, welche Macht das Internet heute hat, wieviel man da kaputtmachen kann.
Bangerang : War ein Zeichentrickfilm keine Alternative?
AA: Wir wollten ganz bewusst keinen Zeichentrickfilm machen, da Kinder ganz genau unterscheiden, das ist ein echtes Tier. Sie empfinden dann ganz anders Angst um das Tier, z.B. in der Szene, als die Hafenkatze Raffi belauert.
BK: Wir wollten zeigen, dass so ein Tier Verantwortung bedeutet und dass es sehr verletzlich ist.
Bangerang: Sie haben das Buch und auch das Drehbuch zusammen geschrieben, wie muss man sich Ihre Zusammenarbeit konkret vorstellen?
AA: Wir haben gleich das Drehbuch geschrieben und haben es dann verschiedenen Produzenten vorgestellt, die aber ablehnten und meinten, es sei viel zu kompliziert, mit so einem kleinen Tierchen zu drehen und wer das überhaupt sehen wolle. Und so haben wir später erst mal ein Buch daraus gemacht.
BK: Eigentlich haben wir uns gegenseitig immer aufgebaut, als es dann schwierig war mit den Produzenten. Arend kann sich immer gut die Struktur, also den Plot überlegen, dann diskutieren wir darüber: Passt das so? Funktioniert das? Dann gehen die Figuren mehr und mehr in die Tiefe, wir überlegen uns die Vorgeschichte unserer Hauptfiguren, ihre Familienstruktur.
AA ergänzt: Gut fand ich aber auch, dass wir nicht alles besprochen und uns gegenseitig vertraut haben. Als erst einmal das Handlungsgerüst feststand, haben wir uns das Schreiben aufgeteilt: Schreib du 1-4, ich schreibe dann 5-7 - dann haben wir unsere Seiten ausgetauscht und immer gegenseitig überarbeitet. Und das flutschte.
Bangerang: Und da gab es keinen Streit?
AA: Streit gehört dazu. Wenn man mit Konflikten umgeht, muss man auch streiten. Es ist eine Frage, wie stark man das sich für sich problematisiert. Streit um eine Sache, um Dinge zu verbessern, da kommt immer etwas raus.
BK: Wir diskutieren immer ganz viel aus - das kostet aber sehr viel Zeit. Außerdem haben wir ja auch die Produktion zusammen gemacht, und ich habe zusätzlich im Film noch die Figur der Miranda, die Freundin des Ganoven Rocky gespielt. Das heißt, wir haben in den vergangenen zwei oder drei Jahren jeden Tag zusammengearbeitet und keine Pause voreinander gewollt, es wäre komisch, jetzt etwas getrennt voneinander zu machen.
Bangerang: Geht das in Zukunft so weiter?
AA: Gut möglich. Der Verlag möchte, dass wir „Rettet Raffi 2“ schreiben und wir überlegen, ob wir es machen. Aber wenn wir einen zweiten Teil entwickeln, dann müssen es dieselben Schauspieler sein, dasselbe Haus, derselbe Ort. Der Film soll aber auch kein Abklatsch werden. Heutzutage muss ein Kinderfilm sehr gut vermarktet werden, nachhaltig, man kann nicht glauben, dass „Rettet Raffi“ über Nacht zu einer Marke wird und sich durchsetzt.
BK: Dreharbeiten mit Kindern kosten eigentlich das Doppelte an Zeit und auch das Doppelte an Geld - weil es sich aber um einen Kinderfilm handelt, bekommt man meist aber nur die Hälfte des Geldes. Das macht das Ganze schwierig.
Bangerang: Wollen Sie nach all den Erfahrungen und Schwierigkeiten denn wieder selbst produzieren?
BK+AA: Ja, denn jetzt haben wir es ja gelernt, wir würden gleich zu Beginn manches anders filmen, z.B. einige Szenen nur mit einem kleinen Team. Im selbst Produzieren ein großes Stück Freiheit. Wir haben ein paar schlechte Erfahrungen gemacht, aber das wappnet uns für die Zukunft.
Bangerang: Fällt es Ihnen leichter, weil Sie selbst Eltern sind, die Welt aus der Perspektive eines Kindes zu sehen?
AA: Ja, auf jeden Fall. Wenn ich keine Kinder aufgezogen hätte, hätte ich diese Perspektive so nicht einnehmen können. Ich Es gibt ja Filmemacher, die Kinderfilme machen und selbst keine Kinder haben, das funktioniert auch manchmal, aber die Filme sind dann oft so ideelich.
Bangerang: Sie meinen kopflastig?
AA: Ja, sie sind schön durchkonstruiert und auch fantasie-affin, aber ich finde, man muss emotional nah an Kinder gewesen sein.
BK ergänzt: Ich habe durch meine lange Ausbildung als Psychologin und durch die intensive Praxisarbeit mit Kindern, auch kleinen Kindern, viel gelernt, diese waren teilweise auch 80 Stunden in der Analyse bei mir. Und auch durch meine eigene Psychoanalyse habe ich gemerkt, dass wir alle Kinder geblieben sind. Wir haben auch immer die gleichen Wünsche, der Wunsch nach Geborgenheit, nach Familie, nach Verständnis, das hört nicht auf. Als Psychologe kann man die Bedürfnisse von Kindern anders erkennen: Kinder haben die Sehnsucht nach einer Familie: Auch wenn die Eltern getrennt sind, wünschen sie sich, dass sie wieder zusammen kommen. Eine Redakteurin meinte zu unserem Film, ein Happy End wäre nicht mehr zeitgemäß. Aber was soll das Kindern erzählen? Die Sehnsucht und der Wunsch sind uns inhärent. Arend war ja schon früh ein Kinderfilmemacher, ich habe mich dem in den vergangenen Jahren auf einer anderen Ebene angenähert, indem ich mich mit der kindlichen Seele befasst habe, aber auch mit den Wünschen von uns Erwachsenen. Die Möglichkeit der Utopie war uns wichtig: zu zeigen, dass es einen Versuch wert ist, wieder aufeinander zuzugehen. Ja, es gibt Streit, gerade auch in einer Familie, aber man kann auch wieder aufeinander zugehen.
Gaby Friebel
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Kernsatz
Bettina Kupfer: Dass etwas sehr Kleines eine große Bedeutung haben kann und dass es sich lohnt für etwas zu kämpfen, was einem wichtig ist. Und Arend Agthe ergänzt: Dass Familie nicht einfach ist - aber auch im Streit wieder zusammenfinden kann.